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Beim Prüfen von Brückenbauwerken muss teilweise wortwörtlich im Dunkeln gestochert werden

Von: T. Beiersdorf, Abteilung 5 – Brücken- und Ingenieurbau, September 2022

Die DIN 1076 schreibt vor, an Ingenieurbauwerken alle 6 Jahre eine Hauptprüfung durchzuführen. Darüber hinaus muss alle 3 Jahre eine einfache Prüfung durchgeführt werden; einmal Jährlich ist das Bauwerk zu beobachten. Im vergangenen Monat stand für das Durchlassbauwerk unter dem Vegesacker Bahnhofsplatz, für das meine Kollegen und ich verantwortlich sind, wieder eine Hauptprüfung an. Diese wird in der Regel von einem drei-Personen-Team über zwei Tage hinweg durchgeführt.

Was und wie wird bei einer Hauptprüfung eines Brückenbauwerkes untersucht?
Bei einer Hauprüfung wird überprüft ob ein Bauwerk auch so funktioniert wie es durch den Konstrukteur erdacht wurde. Dabei werden alle Bauteile handnah auf ihre Standsicherheit, Verkehrssicherheit und Dauerhaftigkeit untersucht. Dabei setzen meine Kollegen und ich alle nötigen Hilfsmittel wie Boote, Gerüste, Leitern, Verkehrssperrungen, Hebebühnen und Steiger ein. Dabei untersuchen wir alle Auffälligkeiten und halten diese fest. Die gefundenen Schäden werden mit einer Note bewertet. Das Ergebnis fließt in die Gesamtbenotung des Bauwerks ein, die eine Aussage über dessen aktuellen Zustand trifft. Gegebenenfalls resultieren hieraus weitere Maßnahmen zur Erhaltung eines Ingenieurbauwerks.

Wie laufen die anderen Prüfungen ab?
Bei der einfachen Prüfung werden die festgestellten Schäden begutachtet und eine Verschlechterung oder auch eine Verbesserung des Schadens festgehalten. Es werden keine Hilfsmittel oder Geräte für die Prüfung verwendet.
Bei der Beobachtung des Bauwerks werden neu aufgetretene Schäden festgehalten. Die Bewertung der Schäden wird im Bauwerksbuch festgehalten, somit ist im elektronischen Bauwerksbuch der Zustand des Bauwerks immer tagesaktuell. Dabei protokollieren wir beispielsweise den Zustand des Betons, der Lager und der Korrosionsbeschichtung auf den Stahlteilen. Bei besonderen Vorfällen, beispielsweise nach einem Unfall, wird das Bauwerk zusätzlich außer der Reihe geprüft.

Blattrost muss dort entfernt werden, wo die Prüfer die Stahldicke nachprüfen, Bild: ASV
Blattrost muss dort entfernt werden, wo die Prüfer die Stahldicke nachprüfen, Bild: ASV

Was zeichnet das Durchlassbauwerk am Vegesacker Bahnhofsplatz aus?
Unter dem Bahnhofsplatz in Bremen-Vegesack befindet sich ein gewachsenes Bauwerk von circa 120 Meter Länge: Es gibt Teile aus dem Jahr 1987, das Betongewölbe hingegen stammt von ungefähr 1860, da es vermutlich zeitgleich mit dem Bahnhofsgebäude errichtet wurde. 1951 wurde der bis dahin offene Wasserlauf kanalisiert, damit Busse dort queren können.

Die Kanäle zum Hafen hin stammen ebenfalls ursprünglich aus den 1860er Jahren und wurden in den 1970ern zusammen mit den Arbeiten am Hafen selbst, umgebaut. Hier fließt der Auslauf der Schönebecker Aue in Richtung Hafenbecken und bei Hochwasser ergibt sich ein Rückstau durch das Hafenbecken, was zeitweise zu einem Höhenunterschied von bis zu 1,5 Metern führen kann. Daher haben wir im Vorfeld unserer Prüfungen die jeweilige Witterung und Tide genau im Blick. Für die Schleusentore und den Hochwasserschutz ist hier übrigens der Deichverband zuständig.

Eine weitere Herausforderung für uns ist die Aktenlage der 50er und 60er Jahre zum besagten Bauwerk. Damals waren verschiedene Behörden dafür verantwortlich, die größtenteils aufgelöst oder in andere Stellen überführt wurden. Somit sind auch viele Akten einfach nicht mehr vorhanden. Seit den 80er Jahren ist das ASV beziehungsweise die Vorgängerinstitution für die Prüfungen verantwortlich und seitdem ist eine gute Aktenlage vorhanden.

Ein derart altes Betonbauwerk ist für mich schon etwas Besonderes. Beton macht die Arbeit für unser Team insofern einfach, als das wir Belastungen mit bloßem Auge erkennen können. Die Bauteile aus Stahl hingegen prüfen wir mit einem Ultraschallgerät. Nachdem wir die Schäden kategorisiert haben, ergibt sich für das Durchlassbauwerk in Vegesack ein guter Zustand, so dass hier keine größere Sanierung in nächster Zeit notwendig wird.

Da das Wasser hier übrigens ziemlich sauber ist und durch den Tidewechsel keine Ratten auf uns warten, macht mir hier die Arbeit besonderen Spaß. Und ich freue mich auf die Ergebnisse der zweitägigen Vermessung des Bauwerks durch Geo Bremen, was die Grundlage für 3D-Karten bildet – dies wird uns künftig sicherlich sehr helfen.

Nach ungefähr 120 Metern mündet das Durchlassbauwerk am Vegesacker Hafenbecken, Bild: ASV
Nach ungefähr 120 Metern mündet das Durchlassbauwerk am Vegesacker Hafenbecken, Bild: ASV